Plastiken – Aktionen – Projekte
1980 – 24’10“ D
Super-Vite Doppelprojektion
Work: Recherche-Regie-Schnitt
DoP: Urs Küng und Jürg Egli
Sound: Moviola
Award: Filmpreis 1981, Kunstkommission der Stadt Biel
Plastik erleben und verstehen
Die Flut der reproduzierten Bilder in Zeitungen und Magazinen, in Film und Fernsehen hat unsere Sinne für das plastische Erleben abgestumpft. Viele Zeitgenossen haben mit der realen Präsenz des plastischen Kunstwerks Schwierigkeiten. Man nimmt nur widerspenstig zur Kenntnis, dass das plastische Werk als dreidimensionaler Körper im Raum sich in einer einzigen Ansicht, die man von einem festen Standort aus erfassen kann, keineswegs erschliesst. Jedes plastische Werk hat vielmehr mehrere, ineinander übergehende Ansichten, die erst beim Umschreiten überraschend sichtbar werden. Die zweite Einsicht – in der Praxis oft verwehrt – ist die, dass jede Skulptur ein greifbares reales Ding ist, das – anders als die Malerei – in seinem Formverlauf, seiner Oberflächenbeschaffenheit, seinen Materialqualitäten sich voll nur dem Tastsinn, dem Zugriff unserer Hand erschliesst. Ausgehend von diesen Grundtatsachen des Plastischen, versuchen wir, in einer audiovisuellen Einführung dem Ausstellungsbesucher Hinweise zu geben, was zeitgenössische Plastik ist, was alles sie sein kann.
Beginnend mit den Anfängen der modernen Plastik um die Jahrhundertwende wird auf die stilistischen und formalen Veränderungen hingewiesen, auf die Abwendung vom figürlichen Kanon des Menschenbildes zugunsten verschiedener Arten der Abstraktion. Es wird gezeigt, wie im Lauf der Jahrzehnte in der organischen und der geometrischen «konkreten» Kunst, die auf alles Darstellerische verzichtet, innere Bildvorstellungen des Künstlers plastische Gestalt annehmen. Es wird vor allem gezeigt, dass diese neuen Möglichkeiten der Gestaltung nicht eine Verarmung, vielmehr eine Bereicherung der plastischen Sprache bedeuten. Denn erst mit dem Verzicht auf die Wiedergabe von Motiven aus der sichtbaren Realwelt wurde der Plastiker in die Lage versetzt, Formprobleme ungefiltert zu studieren und zu visualisieren. Gleichzeitig gewann das Interesse an den spezifischen Eigenschaften des plastischen Materials – Holz, Stein, Beton, Bronze, Eisen, Kunststoff u.a. – und der ihm adäquaten Bearbeitungstechniken an Bedeutung. In vermehrtem Mass wird in jüngster Zeit das plastische Werk zu einem Vehikel für Botschaften physiologischen, psychologischen, gesellschaftspolitischen, ökologischen u.a. Charakters. Es kann, mit anderen Worten, Denkanstösse liefern.
Wie breit heute das Spektrum der plastischen Möglichkeiten und Aussagen ist, wie sehr der Begriff des Plastischen sich gerade in jüngster Zeit ausgeweitet hat, zeigt die diesjährige Schweizer Plastikausstellung noch deutlicher als ihre Vorgängerinnen. Unsere kleine «Besucherschule» erhebt nicht den Anspruch, die ganze Vielfalt heutiger Tendenzen aufzuzeigen. Dafür ist der «Pluralismus» der Auffassungen von Plastik viel zu gross. Es sollen lediglich grundsätzliche Hinweise gegeben werden, vor welchem Hintergrund die ausgestellten Werke zu sehen sind, in welche grösseren Zusammenhänge sie gehören und was an Erhellung von ihnen zu erwarten ist. Wie alle Kunst haben auch die ausgestellten Plastiken letztlich den Sinn, uns bei der genaueren Bestimmung unseres eigenen Standorts in dieser Welt behilflich zu sein – Willy Rotzler